„Die Geschichte von Modern Talking ist so prägnant, mir ist es bisher nicht gelungen eine neue zu schreiben.“ (Zitat Thomas Anders)
Man stelle sich vor, der Mensch wäre ein Produkt. Man könnte ihn mit Vermarktungsstrategien anpreisen, ihm ein Image aufdrängen, ihn in seinem Wert steigern und
ihn irgendwann sogar vom Markt nehmen. Doch Moment – ist das nicht schon tatsächlich so? In der Ökonomie spricht man von Produkteinführung, Marketing, Produktdiversifikationen und Eliminierungen,
in der Medienbranche ist das schlicht die Realität. Thomas Anders, seit 46 Jahren auf der Bühne, seit 38 Jahren im Profibusiness, beschäftigte sich in seinem Vortrag - „Der Mensch als
Marke“ – mit diesem Thema. Und das so persönlich, wie nur selten zuvor.
Das schöne Sport- und Wasserschloss Velen im Münsterland bildete eine wunderschöne Umgebung für dieses Event. Die Remise (früher Gerätehaus und Garage des Schlosses) füllte sich nach und nach. Es
gab Getränke und dazu kleine erlesene Snacks, wie Kalbsbäckchen, Lachs oder Perlhuhn. Seine langjährige Managerin und Organisatorin, Gaby Allendorf, sagte zu Beginn: „Ein Abend mit Thomas Anders
ist immer, auch wenn er nicht singt, sehr unterhaltsam und etwas Besonderes“.
Die Zuschauer waren ganz gespannt auf das, was da kommen sollte. „Machen Medien Stars? Ist der Mensch ein Produkt?“ – begann Thomas seinen Vortrag, die Lesebrille griffbereit. Immer
wieder schweifte er in freie Erzählphasen ab. Er machte die Schatztruhe der unendlichen und teils auch unglaublichen Geschichten aus seiner langen Karriere auf und fand nicht selten offene Worte.
„Modern Talking stand offiziell für schlechten Geschmack. Die einen mochten uns, die anderen hassten uns, aber gleichgültig waren wir niemandem.“ 550 Millionen Euro hätten die beteiligten
Plattenfirmen bisher mit der Musik von Modern Talking umgesetzt. So schlecht konnte sie also doch nicht gewesen sein. „Dass wir polarisiert haben, war ein großer Teil unseres Erfolgs“, erzählte
er.
Thomas stellte fest, dass Medien und Stars sich gegenseitig brauchen. „Einige Stars rufen sogar persönlich bei der Bild-Zeitung an, um sich wieder
in die Schlagzeilen zu bringen. Das aktuellste Beispiel, was mir dazu einfällt, ist Nino de Angelo. Da wird sicher kein Fotograf die Wohnung aufgebrochen haben, um Fotos von dem verschmutzen
Brautkleid zu bekommen, “ witzelte Thomas. Medienpräsenz, aber auch das Image seien für einen öffentlichen Menschen von größter Bedeutung. In der Hochphase von Modern Talking waren die meisten
Geschichten in der Presse frei erfunden.
Schlagzeilen müssten Quote bringen und irritierten oft den Leser und Promi zugleich. „Ich erinnere mich noch an die Schlagzeile ´Die letzten Worte von Thomas Anders und Dieter Bohlen´. Ich habe
sofort meine betagten Eltern angerufen, um Missverständnisse auszuräumen“, erzählte er schmunzelnd. „Wo hört PR auf und wo fängt Rufmord an? Der richtige Umgang mit den Medien ist hochkomplex.
Andreas Kümmert, der vor 2 Wochen seinen Sieg des Deutschen Vorentscheids zum Eurovision Song Contest nicht annahm, ist meiner Meinung nach hoffnungslos überfordert. Klar, er hat eine überragende
Stimme. Aber eine gute Stimme macht noch keinen Star. Es braucht Glamour, Strahlkraft, Disziplin und Durchhaltevermögen. Er fühlt, dass ihm einige dieser Dinge fehlen. Aber er hatte den Mut, sich
treu zu bleiben. Meine Frau denkt da ganz anders, als ich. Aber das würde den Rahmen sprengen“, lachte Thomas, ebenso wie das Publikum.
Auf einer großen Leinwand zeigte er das Plattencover von „The First Album“ von Modern Talking. „Es war MARKant. Der Lackschuh für
mich, der Turnschuh für Dieter. Wir hatten unsere Stempel, vom ersten Moment. Ein großartiger Schachzug der damaligen Grafikabteilung der Plattenfirma. 1987, nach der ersten Trennung von Modern
Talking, habe ich eine dreijährige Welttournee gespielt, teilweise vor 85.000 Menschen pro Show. Ich hatte eine Nummer 1 in Argentinien, Duette mit den Pointer Sisters und Glenn Medeiros. Aber
die deutschen Medien verfolgten das nur mit wenig Interesse. Der Stempel Modern Talking war zu groß. Ich sehe das mit einem weinenden und einem lachenden Auge.“
„Was ist eigentlich ein Star?“, fuhr Thomas fort. Er schilderte die tiefgreifende Distanz zwischen Publikum und Künstler, die früher herrschte. Durch die
sozialen Netzwerke, die Youtuber, Blogger und den Castingwahn habe sich der Begriff „Star“ mit der Zeit entzaubert. „Die Treue der Fans hat sich heute auch rapide verkürzt. Heute gibt es Stars,
Stars auf Zeit und Sternchen. Das Publikum ist schneller gelangweilt und ist immer schwerer vorhersehbar“, berichtet er und zählte dabei einige wirre Namen von Youtubern auf, die dem Publikum
erstmal nichts sagten.
Thomas machte immer wieder Halt an einigen Stationen in seinem Leben, wie die Produktion „Großer Bruder“ von Jürgen & Slatko, einer
Talentshow von Radio Luxemburg, seiner ersten Lieblingsband ABBA und seiner liebsten Fernsehsendung als Kind, der Starparade mit Rainer Holbe. „Ich bin glücklich mit dem, was ich heute mache. Ich
bekomme Applaus, mache Musik, verdiene damit mein Geld und dafür bin ich dankbar.“ Thomas wünscht sich für die Zukunft etwas weniger Schubladendenken. „Alles im Leben hat seine Zeit, jeder Mensch
sollte das Recht haben, sich zu verändern, um sich treu zu bleiben – auch der öffentliche Mensch. In Koblenz bin ich noch immer der, der ich immer war - Bernd.“
In der anschließenden Fragerunde kam folgende, für Thomas überraschende Frage. „Ich habe etwas Verbitterung in ihrem Vortrag raus gehört, was
wünschen sie sich für die Zukunft?“. Thomas antwortete ganz trocken: „Sind sie Journalistin? Nein, wenn sie Verbitterung raus gehört haben, habe ich was falsch gemacht. Ich bin dankbar und nach
den vielen Jahren im Geschäft habe ich einfach ein ausgeprägtes Realitätsbewusstsein entwickelt.“
Ein anderer Gast fragte: „Herr Anders, wie gehen sie mit der Einsamkeit nach dem Applaus auf ihrem Hotelzimmer um?“ Thomas begann seinen
Terminplan für die kommenden und vergangenen Tage runterzubeten (inklusive Flugzeiten – so, wie wir das von unserem organisierten Thomas kennenJ). „Gestern der Rückflug aus Teneriffa. Davor eine Show in der Schweiz. Morgen Vilnius über Wien, dann Danzig
über Warschau, anschließend zurück nach Frankfurt. Im Hotel bin ich nie einsam und nicht, weil dort immer Groupies liegen. (lacht) Ich kenne das nicht, meist bin ich da nur noch müde“, lachte
er.
Als alle Fragen beantwortet waren, gab es zum Abschluss einen Wein für Thomas und seine Crew, sowie ein Buch über das Sportschloss vom
Schlossherren, Jakob Graf von Landsberg- Velen. Dann nahm sich Thomas Zeit für Autogramme und Fotos und entließ das zufriedene Publikum in die nebelige Märznacht.
Thomas, ich danke dir für die offenen Worte in diesem wirklichen schönen Rahmen. Es war informativ, witzig und es hat Spaß gemacht, dir
zuzuhören. Dem Team von Allendorf-Media danke für die tolle Organisation und natürlich dem Hotel Sportschloss
Velen für die bezaubernde Location und die leckeren Snacks.
In diesem Sinne, alles Liebe
Andreas Unterberg
(c) Text und Fotos: Andreas Unterberg für Thomas-Anders-Online